Oman - Motorradabenteuer im Morgenland

Wenn man sich auf der Karte die Entfernung Deutschland - Muscat so anschaut stellt man sich als erstes natürlich die Frage warum eine Reise in den Oman, das ist doch so weit weg - gab es keine näher gelegene Ziele mehr? Eigentlich schon, aber der Oman lockte mit seinen noch vorhandenen arabischen Traditionen, der Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber, den grandiosen Berg- und Wüstenlandschaften und der Möglichkeit noch viel neues zu erkunden. Hier ist es noch möglich die Wüste hautnah ohne Führerpflicht zu erleben und das Land abseits der befestigten Wege zu bereisen, die Nächte im freien unter Millionen von Sternen zu verbringen.

Nachdem wir im Oktober die Motorräder zum Verschiffen abgegeben haben, beginnt das große Warten bis zum Abflug im Dezember. In Muscat angekommen, erkunden wir die ersten beiden Tage Mutrah und den alten Teil der Stadt. Dann geht es endlich los, wir verlassen Muscat Richtung Sur. Wir wollen einen Großteil der Strecke auf Pisten zurücklegen, doch die Karte ist nicht mehr aktuell.

Die erste Piste ist bereits asphaltiert und die nächste endet in einer Sackgasse im Flussbett. Mit der sich als nächstes bietenden Piste in die Berge haben wir Glück und unser Abenteuer beginnt. Unser erstes Camp ist etwas hinter einem Hügel abseits der Piste. Wir haben einen wunderschönen Blick in die Ferne auf die Oase Al Mazari. Der Zeltaufbau gestaltet sich schwierig wegen des starken Windes. Am nächsten morgen streikt auch noch der Benzinkocher und während Eva noch mit ihm kämpft, koche ich kurzerhand Kaffee auf einem kleinen Lagerfeuer.

In Fins kaufen wir Trinkwasser. Während ich in der Moschee Kochwasser hole, wird Eva zu Kaffee und Datteln eingeladen. Ich komme hinzu und wir sitzen gemeinsam mit den Arabern auf dem Boden und unterhalten uns mit Händen und Füßen.

Die Pisten durch die Berge verlaufen meist parallel zur Küste und so ist eine Rundfahrt möglich. Solch eine wollen wir machen und entscheiden uns für die Piste über das Salmah Plateau. Die anfangs steilen Abschnitte machen uns nur wenig zu schaffen bis wir an eine steile Stelle gelangen wo der Untergrund nur noch aus losen Geröll besteht. Eva scheitert vor einer Kurve, ich schaffe diese und noch die halbe Strecke des nächsten Anstiegs. Doch dann verliert mein Hinterreifen die Traktion. Mit durchdrehenden Rad rutsche ich langsam die Piste rückwärts hinunter. Nun liegen beide Motorräder am Boden und wir beginnen sie einzeln wieder aufzurichten. Inzwischen kommen Omanis in Geländewagen daher. Die Männer helfen uns die Motorräder in einer lautstarken chaotischen Aktion den Anstieg hoch zu schieben. Mit viel Schweiß landen wir erschöpft oben auf einer Kuppe. Nachdem wir das Gepäck anschließend separat hoch getragen hatten, beschlossen wir unser Nachtlager an Ort und Stelle aufzuschlagen. Am nächsten Tag treten wir den Rückweg an, da der weitere Verlauf der Strecke noch mehrere solcher Abschnitte hat.

An der Küste entlang geht es bis nach Sur. Hier haben wir für eine Nacht ein Hotelzimmer. Duschen ist angesagt, bevor es dann für längere Zeit wieder nach draußen geht. Der freundliche Besitzer des Sur Hotels besteht darauf, die Motorräder mit hinein zu nehmen, da die Kinder sonst vor Neugier daran herum schrauben würden. So wurden sie durch die Empfangshalle geschoben und blieben über Nacht gut verstaut im Treppenhaus. Wir besichtigen eine Werft in der noch nach Jahrhundert langer Tradition Dhaus gebaut werden, jene handgefertigten Holzsegelschiffe mit denen Handelsfahrten nach Afrika und Indien unternommen wurden.

Es geht weiter südwärts und wir machen einen Abstecher in die Wahiba. Hier wollen wir unsere erste Nacht in den Dünen verbringen. Die ersten Fahrversuche von Eva im Sand scheiterten kläglich, sie bleibt mehrmals stecken - zu langsam und zu ängstlich. Zu guter Letzt fahre ich beide Motorräder durch den Sand zum ausgewählten Lagerplatz, und Eva nimmt sich vor das nächste Mal mutiger zu sein - wenn sie ausgeschlafen und wieder bei Kräften ist. Am nächsten Morgen geht es zur Eingewöhnung ohne Gepäck durch den Sand.

Die Etappe anderntags ist lang und es ist schon Dunkel als wir uns nach dem nächsten Lagerplatz umsehen. Wir biegen links von der Straße ab und fahren über festen Untergrund bis zum Beginn einer sandigen Piste. Ich steige ab um die ersten Meter zu Fuß zu erkunden, da höre ich das Rauschen der Brandung. Nicht lange gezögert sitzen wir wieder auf und arbeiten uns durch losen Untergrund zum Strand hervor. An diesen einsamen idyllischen Ort verbringen wir die nächste Nacht, vom Wellenrauschen in den Schlaf begleitet. Doch wir sollten uns getäuscht haben, einsam waren wir nicht. Am Morgen mussten wir feststellen dass die Trinkrucksäcke leer und die Mundstücke angeknabbert waren. Da wurde uns noch einmal eindringlich bewusst, wie kostbar das Wasser in der Wüste ist. Von nun an passten wir besser auf und schlossen unsere Wasservorräte über Nacht in den Alukoffern ein.

Hinter Sawquirah fahren wir auf eine Piste die durch die Ölfelder führt. Aus einer Piste werden mehrere, wir stoßen auf ein gitterförmiges Netz von Pisten, das reinste Labyrinth. Vorgewarnt habe ich die Positionen vom Zentrum der Ölfelder, dem Lager Marmul und von Salalah, unseren nächsten Ziel, schon zuhause in Erfahrung gebracht und wir navigieren mit nur zwei Navigationspunkten durch das vor uns liegende Wirrwarr.

Ca. 35km vor Salalah werden wir von einer phänomenalen Kulisse empfangen: vor uns tut sich eine mit Gras bewachsene Landschaft auf. Man kann sich gut vorstellen dass es hier nach den Monsunregen so ähnlich aussieht wie in den schottischen Highlands. Neben Kühen grasen hier Kamele, ein komisches Bild für europäische Augen! Wir sind erstaunt, wie hoch oben wir uns befinden. Der Blick reicht weit bis zur Küste hinab. Bei der Einfahrt zur Stadt herrscht plötzlich wieder Hochbetrieb, die Einsamkeit ist verflogen. Überall ist es grün, es riecht nach Blumen. Zwischen Küste und Stadt zieht sich ein Gürtel aus Kokos-, Papaya- und Bananenplantagen entlang. So kommt Eva doch noch zur heiß ersehnten frischen Kokosmilch.

Wir nutzen die Zeit in Salalah um eine Pause in der einstigen Hochburg des Weihrauch- handels einzulegen und bummeln tagsüber durch die Gärten und den Souk. Während einer Tagestour erkunden wir das Wadi Dharbat und Dhofar. Bevor es wieder zurück geht entscheidet sich Eva überflüssiges Gepäck per Post nach haus zu schicken. Ein kurzer Besuch im übermäßig teuren DHL Shop führt uns in das heimische Postamt. Hier wollen wir das Paket aufgeben. Zunächst gilt es eine Verpackung zu besorgen, doch woher. So führt ein Postbediensteter Eva zum Schneider nebenan, der kurzerhand eine maßgeschneiderte Hülle aus Stoff anfertigte. Jetzt noch die Anschrift aufschreiben und Briefmarken fest tackern und das Paket kann seine lange Reise nach Deutschland antreten, wo es schließlich auch ankam.

Auf der Rückfahrt durch das Landesinnere steht uns eine endlos lange Etappe von knapp 900 km ohne größere Städte oder Sehenswürdigkeiten bevor. Die Fahrt ist trotzdem keineswegs langweilig da plötzlich wie aus dem nichts in der Ferne ein Wald, mitten in der Wüste, erscheint. Ein Blick auf die Karte zeigt uns die Möglichkeit einen Abstecher in die Ausläufer der Rub al Khali, der Mutter aller Wüsten, welche auch das leere Viertel genannt wird, zu unternehmen. Die Stille die uns hier erwartet ist für manch einen beängstigend, doch wir lassen uns von der traumhaft schönen Welt aus Sand und der absoluten Ruhe bezaubern.

Nach Tagen der Einsamkeit und seltener menschlicher Begegnungen erreichten wir schließlich den Ort Jabrin mit seinem Wohnschloss aus dem Mittelalter. Es ist sehr schön renoviert und in seinem Inneren können noch viele erhaltene Dinge des täglichen Lebens aus vergangenen Zeiten bestaunt werden. Schnell sind wir im Fokus der einheimischen Besucher und von einer Schar omanischer Kinder umlagert.

Ein weiterer Abstecher führt uns auf 2000 m zu einem Hochplateau des Jebel Shams, des mit 3009 m höchsten Berges des Oman. Am Rande des Plateaus brechen die Felsen steil zu einer zerklüfteten Schlucht hinab weshalb diese auch der Grand Canyon des Oman genannt wird. Nach Sonnenuntergang erreichen wir Nizwa wo wir seit Tagen wieder im Hotel übernachten werden.

Durch die Berge und über den Alamayn Pass geht es steil hinab zum Wadi Bani Awf. Mit teils extrem steilen und feuchten Abschnitten ist dies die spektakulärste Offroadpiste unserer Reise. Auf der anderen Seite des Gebirges geht es über Rustaq wieder zur Küste um an dieser weiter zur Grenze der UAE zu gelangen.

In der Stadt Dibba besteht die Möglichkeit, die omanische Enklave Musandam über Pisten durch das Wadi Khab Shamsi und Wadi al Bih zu erreichen ohne den Bogen durch die Emirate zu fahren. Der Haken daran allerdings ist der, daß es im Wadi al Bih einen omanischen Militärposten gibt den nur Einheimische passieren können. Die Weiterfahrt über Piste anstatt Teerstraßen reizt uns sehr und wir versuchen unser Glück - wir haben ja ein Visum für den Oman! Der Militärposten gibt leider nicht nach und so verbuchen wir diesen Versuch als einen lohnenden Abstecher durch die landschaftlich schönen Hadschar Berge. Was uns jetzt aber noch bevor steht ist der große Bogen um die Ausläufer des Hajargebirge und der Enklave Musandam, was weitere 150 km Fahrt bedeutet. Die Grenze erreichen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit, aber obwohl auf der Seite der Ausreise kein Betrieb herrscht, heißt es warten. Grund hierfür ist die Einreise einer größeren Reisegruppe von omanischer Seite - die Beamten wechseln alle vom Ausreiseschalter zur Seite des Einreiseschalters, um hier tätig zu werden.

Inmitten der Dunkelheit und von der Pistenfahrt leicht ermüdet schlängeln wir uns den Kurven der Küstenstrasse bis nach Khasab entlang. Nachdem in den ersten Hotels aufgrund Silvester die Zimmer alle ausgebucht sind, können wir im Khasab Hotel noch das letzte Zimmer ergattern und fallen nach einem stärkenden Abendessen erleichtert in die Betten. In Khasab nutzen wir die Möglichkeit zum Ausspannen und machen eine Bootstour mit einer Dhau durch die Shimm Meerenge. Es gibt ein kleines Picknick an Bord und die Gelegenheit zum Schnorcheln. Wir haben sogar Glück und sehen Delfine.

Der Rückweg führt uns wieder durch die Emirate in den Oman. Es ist noch recht früh am Tag, als ich bei einem Fotostopp bei den Ausläufern der Rub Al Khali den idealen Zeltplatz für die nächste Nacht entdecke. Wir beschließen am Abend hierher zurück zu kommen und fahren nach Dank zum Einkaufen. Der Laden dort ist sehr gut mit frischem Obst und Gemüse ausgestattet, der Ladenbesitzer freut sich über uns und schenkt uns einfach so 2 Flaschen Orangensaft. Da wir nicht den selben Weg zurück fahren wollen, fahren wir ca. 60 km über Piste durch das Wadi Al Fath. Sie ist recht anstrengend zu fahren - steinig, holprig, teilweise tiefer Kies und Sandpassagen. Als wir am Abend am ausgesuchten Lagerplatz ankommen, sind die Bananen im Koffer ganz nach unten gerutscht, eine am Pfannenrand zerdrückt. Der Benzinkocher hat sich komplett aus den Gurten gelöst und hängt nur noch am Notanker. Die Sandpassage zum Zelt schockt Eva inzwischen kein bisschen mehr! Am Abend sitzen wir noch eine Weile draußen und bewundern die unendlich vielen Sterne am Himmel, bis uns die Kälte in die Schlafsäcke treibt.

Über Ibri und Bat wollen wir weiter nach Al Ayn zu den Bienenkorbgräbern, so genannt wegen ihrer Form. Hoch auf einen Bergrücken sind diese nebeneinander gereiht, mit den Eingängen gen Osten. Anhand von Grabräuber als wertlos hinterlassener Keramikgefäße wurde deren Entstehung auf ca. 3000 vor Christus datiert. Die Weiterfahrt nach diesen Abstecher über die Berge scheint nach einen Blick auf die Karte nicht möglich zu sein und wir müssen im großen Bogen um ihn herum fahren. Am nächsten Abzweig steht aber ein Wegweiser zum Ort Sant auf der anderen Seite des Berges. Das mussten wir natürlich ausprobieren. Die Straße war wunderbar asphaltiert, ganz neu gebaut. Bis auf die letzten 2 km, hier war der Asphalt zu Ende, ein Stück Piste, die immer schlechter wurde. Es ging steil bergab, in Serpentinen mit losem Sand und Kies. Dann standen wir in der Baustelle. Zunächst war noch Mittagspause, vier Arbeiter schliefen in einer riesigen Baggerschaufel, wir fuhren weiter. Dann schien der Weg zu Ende zu sein. Eva dachte nur: oh je, wenn wir jetzt zurück müssen, haben wir ein echtes Problem. Ich checkte zu Fuß ab, ob es an den Baumaschinen vorbei durch die großen Steinbrocken einen Durchgang gibt. Inzwischen waren die Bulldozer wieder am Rollen, nach kurzer Verständigung schoben sie die Brocken zur Seite damit wir vorbei fahren können. Sie hielten mit der Arbeit inne und trieben uns zur Eile an. Dann ging es durch frisch von den Baggern aufgewühltes Gelände, steil Bergab, von den pausierenden Bauarbeitern neugierig beobachtet. Eva sagte sich immer wieder: „die KTM kann das, sie findet ihren Weg. Einfach laufenlassen“. Und so war es, wir haben es geschafft, keine Ahnung wie.

Unten angekommen, schweißgebadet, Eva noch am ganzen Leib zitternd, werfen wir nochmal einen Blick nach oben. Während wir uns noch nach einem der hier so leckeren, frisch gepressten Obstsäfte sehnten, hupte ein vorbeikommender Omani, sprach mich an und lud uns zu sich nach Hause ein. In einem noblen Haus wurden wir in einen Empfangsraum geführt, im omanischen Stil mit Teppich und Kissen auf dem Boden, Fernseher und Klimaanlage extra für uns eingeschaltet. Es gab frisches Obst – Äpfel, Orangen, Trauben und Datteln – und dazu mit Kardamom gewürzten Kaffee. Wir erzählten von uns und er sagte, dass er in der Wüste auf einem Ölfeld arbeitet, 20 Tage Dienst - 10 Tage frei. Bei der Fahrt durch den Ort Al Raddah fallen mir Lehmhäuser auf. Neugierig geworden halten wir an und verschwinden in den Gassen. Als wir wieder an den Motorrädern sind werden wir schnell von Kindern umringt, Eva von den Jungen und ich von den Mädchen. Ich mache Fotos, die Mädchen wollen das Bild sehen. Ich zeige ihnen die Bilder und schon zerren sie mich zum Tor auf der Seite gegenüber, ich soll der Familie die Bilder zeigen. Die hier neugierig zuschauenden Frauen haben Angst fotografiert zu werden und verschwinden aufgeregt hinter dem Tor. Ich schalte den Monitor der Kamera ein und halte ihnen diesen weit von mir gestreckt entgegen. Vorsichtig stehen die Frauen wieder im Tor, die Angst ist verflogen. Die Frauen freuen sich über die Bilder und ich werde drinnen eingeladen. Eva kommt inzwischen herbei und wir gehen hinein.

Der große Hof wird durch einen gewaltigen Gummibaum beschattet. Wir werden gebeten uns auf die Matte an der Seite zu setzen. Eine der Frauen spricht etwas Englisch. Wir bekommen Gebäck, Datteln, Obst, Wasser und Kaffee. Mehrere Frauen sitzen bei uns, wir freuen uns gemeinsam. Eine total herzliche Atmosphäre. Die Familie besteht aus Mutter, Vater, 7 Schwestern, 3 Brüdern, 2 davon wiederum mit Kindern. Eva bekam zur Feier des Tages liebevoll die Hände mit Henna verziert. Da wird sie die nächsten Wochen noch eine schöne Erinnerung haben. Anschließend werden wir noch eingeladen, ja überredet, zum Lunch zu bleiben. Nach einigem Zögern nahmen wir an. Wir bekommen ein köstliches gegrilltes Hühnchen mit Reis und Salat serviert. Separat, die Familie isst im Haus. Nach dem Essen bekommen wir noch die Tiere gezeigt: ein syrisches Schaf, mehrere omanische Ziegen, Hühner, ein Hahn, Enten, Katzen. Das Angebot, über Nacht zu bleiben, schlagen wir dann doch aus – wir wollen nochmal die Dünen der Wahiba sehen. Reich beschenkt, mit 4,5 kg Datteln und 4 rohen Eiern machen wir uns wieder auf den Weg.

Unsere letzte Nacht unter freien Himmel soll noch einmal in der Wüste sein und so wir fahren für ein zweites mal in die Wahiba. Unser Abenteuer neigt sich hier dem Ende zu......






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