Marokko - Land der 1001 Abenteuer

Nachdem ich im Jahr zuvor eine erste Tour mit Günter über Korsika gedreht habe, soll es endlich wieder einmal nach Nordafrika gehen - genauer gesagt nach Marokko, das Land der 1001 Abenteuer. Die Anreise wird durch einen Stopp bei Eva unterbrochen, denn die nächsten 4 Wochen werden wir uns nicht sehen, nur noch hören. Die Zeit ist schön und das gemeinsame Montieren der letzten Zubehörteile ans Motorrad machen sehr viel Spaß. Zum Abschied übergibt sie mir einen Talisman, er soll mir Glück bringen und vor Gefahren beschützen.

Als ich am nächsten Morgen das Motorrad belade, habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Die Fahrt zur Fähre zieht sich in die Länge, erst im Rhônetal werde ich von den blühenden Obst- und Mandelbäumen von der Monotonie abgelenkt. Als ich endlich die Grenze zu Spanien erreiche, überkommt mich eine unbekannte Freude, das erste Mal mit dem Motorrad Spanien erreicht zu haben. In Salou treffe ich Günter, der hier schon auf dem Campingplatz auf mich gewartet hatte. Beim Entladen des Motorrads bemerke ich, daß ich bereits einen ersten Tribut der Reise gezahlt habe, die Gepäckrolle war nicht richtig platziert und die sich im Innern befindliche Isomatte vom Auspuff verschmort. Im Hafen von Almeria treffen wir auf Andreas aus Münster der sich uns zur Einschiffung anschließt.

Das Meer liegt ruhig unter der jetzt langsam aufgehenden Sonne als wir uns der Küste langsam nähern. Die Einreise erfolgt ungewohnt schnell und reibungslos, schon sind wir unterwegs. Die Küste liegt noch im Morgennebel, die Landschaft wirkt wie verzaubert. Hier im Norden ist die Landschaft sattgrün und die Temperatur angenehm warm, ich verspüre ein wohliges Gefühl in Marokko angekommen zu sein. An einen Polizeiposten werde ich jäh gestoppt, beim Überholen eines LKW soll ich über die vor der Ortschaft beginnende durchgezogenen Linie gefahren sein. Die Polizisten sind freundlich und scheinen sich ein Spiel aus der Situation zu machen. Ich spiele mit und lasse der Freude über meine Ankunft in Marokko lauf und nach einer kurzen Weile dürfen wir weiter fahren.

In Berkane werde ich von einen Mopped umgefahren, das aus einer Seitenstraße scheinbar aus dem nichts auftauchte. Dem anderen Fahrer und mir war nichts passiert und mein beladenes Motorrad von der sich schnell ansammelnden Menschenmenge wieder aufgerichtet. Unsere erste Tagine nach diesen kleinen Schreck ist ein wahrer Genuss und lässt mich den Vorfall schnell wieder vergessen. In Oujda trennen sich die Wege von Andreas und uns, er fährt allein weiter. Wir hoffen ihn im Erg Chebbi wieder zu sehen, welcher auf einer anderen Route auch sein Ziel sein soll. Die Landschaft zu beiden Seiten der wie mit dem Lineal gezogenen schnurgeraden Straße Richtung Süden wird immer karger und geht schließlich in Wüste über. Nach einem traumhaften Abendrot erreichen wir erschöpft die Oase Figuid.

Vor der Weiterfahrt durchstreifen wir die Oase auf den verwinkelten Wegen und sind von der Vielfalt der verschiedenen Pflanzen und der Pracht der Palmen tief beeindruckt. Hinter der Oase erhebt sich ein Bergrücken den wir trotz der damit verbundenen Anstrengung erklimmen. Unsere Mühe wird belohnt, der Ausblick ist grandios.

Wir nehmen nicht die Straße nach Mengoub, sondern die weiter südlich davon verlaufende Piste. Anfangs ist sie noch flott zu befahren, doch je weiter wir kommen desto anspruchsvoller wird sie. Die vielen quer verlaufenden Oueds haben an einigen Stellen die Piste weggespült und so müssen wir Ausweichstrecken durch sandige Passagen nehmen. In einem breiten mit großen Flusskieseln durchsetzten Oued sind wir gerade dabei den Verlauf der Piste zu suchen, als einige Soldaten auf uns zu gerannt kommen. Wir müssen die Pässe vorzeigen und sollen mit zu einen Minifort um die Erlaubnis des Kommandanten zur Weiterfahrt zu erhalten. Dieser ist aber noch zu Fuß auf Patrouille unterwegs und so werden wir kurzerhand erstmal mit frischen Minztee, Fladenbrot und Schafskäse verköstigt. Es wird sich ein wenig ausgetauscht und viel dabei gelacht. Nach der Rückkehr des Kommandanten müssen wir uns mit den Motorrädern für ein Gruppenfoto aufstellen. Nachdem jeder seinen Fotoapparat gezückt und ein Foto geschossen hat, selbst dürfen wir leider keins machen, können wir unbeschwert weiterfahren. Die Piste ist jetzt stellenweise versandet als es passiert, Günter stürzt. Außer einem Blinker und einem geschwollenen Knie ist kein größerer Schaden an Mensch und Maschine zu beklagen. Langsam setzt die Dämmerung ein und wir haben erst die halbe Strecke geschafft. Unter diesen Bedingungen ist eine Fahrt in der Dunkelheit nicht ratsam und so stellen wir unser Zelt kurzer Hand mitten im Nichts auf.

Am Morgen ist es eisig kalt und die Sonne nicht stark genug um Wärme zu spenden. So treibt es uns schnell wieder voran. Der Weg führt uns in einen kleinen Ort, wo eine freundschaftliche Atmosphäre herrscht. Auf unsere Frage ob wir noch auf dem richtigen Weg seien, werden wir zum Tee eingeladen und genießen die wunderbare Gastfreundschaft. Wir reden über den Alltag der Bewohner und sitzen dabei im Schatten einer Hauswand. Es wird frische Ziegenmilch angeboten, ich überlege nicht lange und probiere. Sie ist sehr sahnig und schmeckt nach mildem Ziegenkäse, welch ein Genuss. Unser Ziel soll heute der Erg Chebbi sein, jenes Dünengebiet in der Mitte von Marokko. Die Sicht auf der Weiterfahrt ist trübe und es gibt selten schöne Ausblicke in der jetzt eintönigen Landschaft. Bei Boudnik wollen wir tanken, doch die örtliche Tankstelle ist scheinbar seit Jahren nicht mehr in Betrieb. Schnell werden wir von den Bewohnern in die Nebenstraßen gelotst, wo wir Benzin aus Wasserflaschen tanken. Durch das Ziz Tal fahren wir Oase an Oase gelegen über Erfoud weiter bis an den Rand des Erg Chebbi. Die erste Nacht verbringen wir stilgerecht in einem Berberzelt.

Der Sand hat trotz guter Verpackung seinen Weg zu dem uns am Vortag geschenkten Brot gefunden und so genießen wir knirschend unser Frühstück. Wir fahren weiter am Erg entlang um nach Merzouga zu gelangen. Nach einigen Fotostopps und Festfahraktionen quartieren wir uns in der Auberge Sahara ein, dass heißt wir ziehen auf das Dach, um windgeschützt unter dem Sternenhimmel zu nächtigen. Den restlichen Tag verbringen wir mit Relaxen und Erkundung der nahen Dünen zu Fuß. Das Licht wird nach und nach angenehmer und wir fotografieren bis nach Sonnenuntergang. Kurz nach Sonnenaufgang, bevor die Hitze erneut beginnt, fahren wir durch die Dünen. Danach in Rissani angekommen, besichtigen wir ein Ksar und verlassen den Ort Richtung Tinehir. Es soll aber wieder auf die Piste gehen und so biegen wir wieder von der Straße nach Alnif ab. Was jetzt folgt ist eine traumhafte Wüstenlandschaft, die vom Kontrast des gelben Sands und der schwarzen Felsen geprägt ist. Es geht in die Berge, die Umgebung passt sich an. Wo eben das Umfeld noch mit Sand bedeckt war, da liegt jetzt loses Gestein - so wechselt die Landschaft von einer Sand- zu einer Steinwüste. Auf der anderen Seite der Berge verbringen wir die Nacht wieder im Tausend-Sterne-Hotel.

Als wir mal wieder zum Fotografieren auf der Teerstraße halten, stoppt ein Bus mit Touristen aus Sachsen-Anhalt neben uns. Diese interessieren sich aber überhaupt nicht für unser Fotomotiv, die wilden Kamele, sondern sie ließen den Busfahrer anhalten um Fotos von uns zu machen. Da kann man dann zu Hause erzählen was für Kerle man getroffen hat, die nur auf ihren Motorrädern durch Marokko gereist sind.

Im Dorf vor Tazzarine entdecke ich mehrere noch gut erhaltene Lehmbauten traditioneller Art, meine Neugier ist geweckt. Während Günter gleich hinter der ersten Hausecke verschwindet kommen zwei Frauen des Weges. Nachdem ich die ältere Frau fotografieren durfte, will sie mir etwas zeigen. So folge ich ihr, in der Annahme dass sie mich zu einen schönen Fotomotiv leitet. Statt dessen verschwindet sie in einem dunklen Eingang einer noch bewohnten Lehmburg, einer Kasbah, und gibt mir Zeichen ihr zu folgen. Sie beginnt gleich darauf frischen Tee zuzubereiten und ich erkläre ihr mit Händen und Füssen dass ich noch meinen Reisekameraden hinzu hole. Sie nickt. Gemeinsam kehren wir zurück und erhalten zum Tee noch frisch gebackenes Fladenbrot und eine Paste ähnlich wie Schmalz. Doch damit nicht genug, aus einer Ecke kramt sie eine Dose mit Kernen hervor. Diese schlägt sie mit einem Stein auf und reicht sie uns weiter. Es sind Mandeln. Bis die Söhne aus der Schule kommen, führen wir eine zweisprachige Unterhaltung, wir auf französisch und sie auf arabisch. Jetzt wo die Söhne da sind bekommen wir von ihnen aus dem Arabischen übersetzt und wir verstehen nun auch was die Frau zu uns sagen will und haben so manchen Spaß dabei. Zum Abschied möchte sie mir noch eine große geflochtene Schale mitgeben, aber aufgrund von Platzmangel und dem Bedenken diese nicht heil heim zu bringen kann ich diese nicht annehmen. Nach der Verabschiedung vor dem Haus zieht mich die ältere Frau noch mal ins Haus und spricht etwas auf arabisch. Dabei berührt sie mit ihren Lippen meine Hand und mein Gefühl sagt mir, sie hat gute Wünsche für mich ausgesprochen. Ich bin innerlich tief berührt.

In Taz suchen wir den Weg zu den Felsgravuren, von denen ich per Zufall etwas erfahren habe. Nach mehrfachen Befragungen und unterschiedlichen Wegbeschreibungen gelingt es uns die Piste zu finden. Sie besteht nur aus losen Gesteinsbrocken und die Fahrt ist mehr ein Holpern und Rutschen als ein Fahren. So entschließen wir uns nach nur zwei kräftezehrenden Kilometern für den Rückweg, meine Enttäuschung ist groß. So erreichen wir M´Hamid noch am frühen Nachmittag, wo wir uns für die bevorstehende Etappe durch die Wüste mit den notwendigen Wasservorräten eindecken.

Am Morgen darauf starte ich das GPS und schon geht es los. Die erste Herausforderung ist ein Dünenfeld durch das uns die tief verspurte Piste führt. Ein zügiges fahren ist nicht möglich und so schlängeln wir uns Stück für Stück hindurch. Später erreichen wir eine kleine Oase die als Attraktion und Raststätte für geführte Touristengruppen fungiert, wir sind hier die einzigen Gäste. Wir füllen unsere Körper nochmals mit mehreren Litern Wasser auf, bevor es auf guter Piste recht zügig voran geht. Im nächsten Dünenfeld dagegen werden wir gestoppt, Günter fährt sich richtig fest. Später werde ich an der Reihe sein und mich ebenfalls festfahren. Die jeweilige Bergung zehrt aufgrund der Hitze stark an unseren Kräften. Nun geht es kilometerweit durch tiefe Fahrspuren, die das Fahren zu einen reinsten Eiertanz machen.

Bei mir bahnt sich eine Magen-Darm-Verstimmung an, was zusehends an meinen Kräften zehrt und mich das eine oder andere Mal im verspurten Sand aus den Sattel meines Motorrades wirft. Als ich völlig erschöpft bin, schlagen wir schon eine Stunde früher wie gewohnt unser Zelt in den Dünen neben der Piste auf. Außer unserem Frühstück und ein paar Keksen haben wir an diesem Tag noch nichts gegessen und umso mehr freuen wir uns auf unsere warme Mahlzeit, die wir uns wie immer mit dem Benzinkocher zubereiten wollen. Doch die Düse ist verstopft und wir bekommen diese nicht frei und somit den Kocher nicht zum Brennen - unsere Enttäuschung ist groß. Doch aufgeben will ich so schnell nicht und so sammele ich Holz von verdorrten Büschen. Damit entfache ich ein Lagerfeuer, nur Günter hat Zweifel das wir hierauf unser Essen kochen können. Doch die Glut ist so stark, so dass wir den darin gestellten Topf zum kochen bringen und doch noch zu unseren ersehnten Essen kommen.

Die Nacht verbringe ich unruhig weil mein Magen krampft, an Schlaf ist kaum zu denken. Ohne Frühstück brechen wir auf, um schon unterwegs zu sein bevor die mörderische Sonne ihr Tagwerk wieder beginnt. Unsere Wasservorräte sind knapp geworden, zumal Günter eine volle Wasserflasche verloren hat. Wir fahren uns beide noch einmal fest und sind schon ziemlich demoralisiert als wir endlich den Lac Iriki erreichen. Hier ist die Piste wieder fest und gut zu befahren, unsere Motivation steigt blitzartig an. Als wir den Militärposten erreichen ist unsere Freude groß und wir können unsere Flaschen immerhin mit dem Brunnenwasser auffüllen. Dies enthält zwar so einige Schwebstoffe, aber mit einer Notreserve an Bord lässt sich die restliche Strecke bis nach Zoum Fugit auch mit durstiger Kehle erreichen. Auf schattigem Platz in einem der Restaurants machen wir beim Wasserkonsum allen Kamelen die Ehre, bevor wir uns mit frischem marokkanischem Salat endgültig stärken. Froh darüber diese anstrengende Etappe gemeistert zu haben, fühlen wir uns wie Helden.

Bei Ait Herbil biegen wir auf die Piste Tamessoult - Tafraoute ein. Diese führt in ein Oued und bleibt in diesem, das Fahren wird wieder anspruchsvoll. Durch eine Oase geht es den Berg steil hinauf wo wir auf eine Hochebene treffen und dort weiterfahren. Der zunehmend starke Wind und die tief stehende Sonne sind hier oben keine zu unter- schätzenden Gegner. Die Nacht verbringen wir in Tafraoute und von hier aus starten wir unsere Tagesrundfahrt über die Orte Tighmi, Anezi, Tanalt, Tioulit. Ich sitze wie in Trance auf dem Motorrad, die Erschöpfung der Magen-Darm-Verstimmung sitzt mir noch in den Knochen. Ein Teil unserer Rundtour ist Piste die aus Felsbrocken, losem Gestein und ausgewaschenen Rinnen besteht. In diesem Terrain kommt es mir vor als wäre mein Gleichgewicht ins Wanken geraten. So entgeht es mir, dass ich in einer Rinne gefüllt mit losem Gestein von rechts nach links katapultiert werde und kann das Motorrad erst im letzten Augenblick von der Abbruchkante wieder auf die Piste reißen, Evas Talisman hat große Dienste geleistet.

Über Igherm und den Tizi ´n Test Pass geht es durch malerische Täler bis nach Marrakech. Hier tauchen wir ein in die engen und verwinkelten Gassen der Souks, die alle thematisch aufgeteilt sind. So gelangen wir von den Souvenirhändlern zu den Ständen mit Gewürzen, von hier wiederum zu den Fleischern und weit hinten schließlich zu den Handwerkern. Der Besuch der Souks ist immer wieder faszinierend, es herrscht überall reges Treiben und es gibt immer noch neues zu entdecken - die gewonnenen Eindrücke sind bleibend. Auf dem Platz Djamaa el Fas beenden wir unseren Tag mit einem Essen an einem der vielen hier zum Abend aufgebauten Stände. Die Auswahl der angebotenen Speisen ist riesig, das ausgewählte Gericht manchmal geschmacklich eine Überraschung. Als wir die Rechnung erhalten ist diese sehr hoch und deshalb versuche ich unseren Verzehr grob zu überschlagen. Dieser Betrag ist weitaus niedriger als der geforderte und wird nach Nennung ohne große Diskussion angenommen.

Die Kurven drängeln sich hintereinander als wir über den Tizi-n-Tichka Richtung Quarzazate fahren, der Fahrrausch ist groß. Kurz hinter den Pass biegen wir zur alten Glaoui-Kasbah nach Telouet ab, um diese zu besichtigen. Auch wenn hiervon nur Teile in gutem Zustand verblieben sind, lässt sich ihre einstige Pracht sehr erahnen. Von hier aus geht es auf Piste weiter nach Ait-Benhaddou, einen reichlich verzierten alten Ksar mit seinem aus Häusern und Türmen verschachtelten Labyrinth. Auf dem schwierigsten, mit herausragenden Steinen und Löchern durchsäten steil abwärts führenden Stück der Piste nimmt das Unheil wieder seinen Lauf und Günter stürzt. Zum Glück bleiben er und die Maschine unversehrt. Nur mit großer Mühe kann ich mein Motorrad auf diesen Stück zum stehen bringen und abstellen um Günter beim Aufrichten seiner BMW zu helfen. Noch völlig geschockt schiebt er das nächste Stück seine BMW weiter bergab.

Nach der Besichtigung des Ksar lasse ich mich in ein Geschäft locken, während Günter draußen bleibt und noch weitere Fotos schießt. Der Händler und ich haben viel Spaß beim Feilschen und wir unterhalten uns nebenbei. Obwohl ich ein Schmuckstück auf ein Fünftel des ursprünglichen Preis herunterhandeln konnte, kaufe ich es zum Schluss doch nicht. Der Händler kommt trotz geplatzten Geschäfts bis zum Motorrad hinter mir her um mich freundlich zu verabschieden. Wir lachen noch gemeinsam bevor ich ihm ein gutes Geschäft und er mir eine gute Reise und viel Glück im Leben wünscht. Dies war schon meine zweite herzliche Begegnung in diesem gastfreundlichen Land.

Von Goulmima starten wir unsere nächste Rundfahrt über Amellago, Assoul, Tamtatouche und Tinehir. Die Landschaft hier ist traumhaft schön, wir fahren zwischen Tafelbergen durch das Rheristal die meiste Zeit im Oued. Vor Tamtatouche traue ich meinen Augen nicht, die ehemalige Piste ist einer Teerstraße gewichen. Die legendäre Streckensperrung der Kinder, die große Steine auf die Piste gerollt haben um den Reisenden ein Wegegeld abzuschwätzen, gibt es auch nicht mehr. Als wir dann das spektakuläre Stück der Todhra Schlucht mit den dicht beisammen stehenden steilen Felswänden erreichen, trifft mich dann schon fast der Schlag: wo noch vor einigen Jahren nur vereinzelt Individualreisende vorbeikamen, da flanieren auf einmal über hundert mit Bussen heran gekarrte Touristen.

Die nächste Überraschung folgt am nächsten Tag als wir die Dades Schlucht hinauf fahren. Die Teerstraße geht jetzt bis nach Msemrir, kaum noch vorstellbar dass man einst auch hier nur über eine Piste den kleinen Ort erreichen konnte. Über Tilmi fahren wir den 3300 Meter hoch gelegenen Tiz-n-Ouano entgegen, dessen wunderschöne Landschaft man einfach selbst erlebt haben muss. Doch so schön es hier oben auch sein mag, die Armut der Bevölkerung ist weiterhin präsent und nicht zu übersehen. Kurz vor Imichil stoßen wir wieder auf geteerte Straße und ich muss sofort an die Strapazen meines letzten Besuchs mit Wolfgang denken. Die Anfahrt erfolgte damals noch über eine mit tiefen Löchern und mit Schlammpfützen durchsetzte Piste, es war die reinste Schlammschlacht. Die Nacht verbringen wir bei eisigem Wind auf den Campgrund des Hotel du Lac am Tilsit See.

Unser Frühstück genießen wir im Hotel de l´avenir das eher an eine Herberge als an ein Hotel erinnert. Wir sitzen im Hof bei strahlendem Sonnenschein und sind sehr überrascht wie reichhaltig das Mahl trotz des günstigen Preises ausfällt. So gestärkt geht es weiter nach Tounfite von wo aus wir den Cirque de Jafaar in Angriff nehmen wollen. Die Piste hier ist sehr sandig und staubig und wir queren unzählige Male Bäche. Auch hier ist mit Vorsicht zu fahren denn die Strecke ist oft sehr schräg und das Gestein ragt in die Piste hinein. Zuerst rammt Günter eben solchen, doch außer einem verbogenen Schalthebel gibt es nichts zu beklagen. Einige Kilometer weiter dann noch der nächste Schreck, Günters Vorderrad rutscht weg und er dreht sich mit samt des Motorrads in die entgegen gesetzte Richtung.

Schon spät in Tounfite angekommen, überlegen wir ob wir nicht lieber im Hotel übernachten wollen. Die Preise sind jedoch so utopisch und auch nicht verhandelbar, sodass wir uns zur Weiterfahrt entschließen. Die Suche nach einem geeigneten Lagerplatz gestaltet sich als schwierig, da zu beiden Seiten der Piste der Hang schräg ansteigt oder abfällt. Es bleibt uns nur ein kleines Fleckchen neben einer Pistenkreuzung übrig. Gerade als wir unser Zelt aufgestellt haben, kommt Azerzar mit seinen Sohn den Hang hinauf gerannt und bietet uns Unterkunft in seinem Haus an. Im Haus angekommen warten schon seine Frau und ein zweiter Sohn voller Neugier auf uns. Wir werden herzlich bewirtet und erfahren, dass er zuvor als Maler und Lackierer gearbeitet hat. Wegen der vielen giftigen Dämpfe hat er diesen Beruf an den Nagel gehängt, um hier in den Bergen von Schaf- und Ziegenzucht zu leben. Als wir für das Nachtlager unsere Schlafsäcke auspacken bringt er uns prächtige flauschige Schaffelle als zusätzliche Unterlage.

Gut gebettet und geschlafen beginnt der nächste Tag schon kurz vor Sonnenaufgang. Wir werden zum Frühstück noch einmal reichlich beköstigt und sollen zur Stärkung für unsere Reise essen, essen, essen - so viel wir nur können. Wir bedanken uns vor der Abfahrt und überreichen unseren Pulverkaffe und Tee, sowie die Fertigsuppen als Gastgeschenk. Wir machen noch ein paar Bilder von allen und den Kindern auf den Motorrädern, danach werden wir herzlich verabschiedet. Die Piste führt uns nun weiter in die Berge hinein bis wir einen Talkessel erreichen wo die Piste in einem Dorf bzw. im Nichts verschwindet. Wir fragen nach dem Weg und bekommen als Antwort, dass wir über ein Geröllfeld den Hang hinauf fahren sollen, dort oben verläuft die Piste weiter. Günter fährt sich schon nach einigen Metern im Geröllfeld fest und mit gemeinsamer Kraft bekommen wir sein Motorrad wieder frei. Oben auf der Piste fahren wir nur noch auf schrägem Untergrund bis wir die Passhöhe erreichen. Hier geht es durch einige kniffelige Passagen die aus losem Schotter und Steinsstufen bestehen nur noch bergab. Seit dem Talkessel fahre ich jetzt schon auf Reserve und hoffe das der Sprit bis zu unseren Ziel Midelt reicht.

Unser letztes Ziel vor Reiseende führt uns nach Fes, eine der vier Königsstädte Marokkos. Im dichten Verkehr von Fes steuern wir anhand von Koordinaten aus einem Reiseführer den Campingplatz per GPS an, was uns beim Folgen des Straßenverlaufs mit dem sich blitzartig verändernden Richtungspfeil des GPS schon wie ein Computerspiel unter realen Bedingen erscheint. Die Koordinaten sind falsch und wir landen am Busbahnhof. Wir fragen nach dem Weg und finden auch so unser Ziel. Wie wir später auf dem Campingplatz von einen Motorrad fahrenden Pärchen erfahren, erging es ihnen ebenso. Sie hatten auf der Internetseite des Verlages zwar die neuen korrigierten Koordinaten entnommen, aber landeten im Gegensatz zu uns an einem riesigen Friedhof. Als wir abends nach einen ersten Stadtbummel und Abendessen aus der Stadt wieder zurück zum Campingplatz fahren rutscht mir in einem Kreisel das Motorrad weg, nur durch energisches Gegenlenken und durch Gewichtsverlagerung kann ich einen Sturz verhindern - Evas Talisman hat wieder ganze Arbeit geleistet! Am Tag darauf stürzen wir uns noch einmal in den Rummel und das Labyrinth der engen Gassen von Fes und schließen unseren Besuch mit der Besichtigung des Gerberviertels ab.

Durch den Tazzeka Nationalpark geht es über Guerif endgültig nach Nador zurück. Der Abstecher hat sich gelohnt, die Strecke ist kurvenreich und der Fahrspaß garantiert. Wir fahren durch Korkeichenwälder und fühlen uns an unsere Korsikatour erinnert. Wieder zurück auf der Hauptstraße nach Norden werden wir brutal von einen uns überholenden Überlandbus abgedrängt der weit schneller als 100 km/h fährt. Unsere Wut über diesen Vorfall ist groß, so haben wir uns den Abschied von Marokko nicht vorgestellt! Wir erreichen dennoch unversehrt die Fähre, wo unsere wirklich erlebnisreiche Reise sich ihrem Ende nähert.


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