Vom wilden Kaukasus ins Land der Steine - auf Entdeckungsreise durch Georgien und Armenien

Bei Regen bauen wir das Zelt ab. Der Tag beginnt, wie der vorherige endete und wir fahren weiter Richtung Venedig zur Fähre, die uns nach Igoumenitsa in Griechenland bringen soll. Vor der ersten Autobahnbrücke rutscht mein Vorderrad kurz beim Überfahren der quer verlaufenen Abwasserrinne und kaum habe ich wieder Grip, da pendelt das Kälbchen wild. Rodeo wollte ich eigentlich nicht reiten, sondern nur dem verregneten Sommer in Deutschland entfliehen.

Die Ausfahrt der Fähre quer durch Venedig ist ein Erlebnis und der Urlaub kann beginnen. Die Fähre spuckt uns am nächsten Morgen in Igoumenitsa wieder aus und es ist bereits herrlich warm. Von Kilometer zu Kilometer wird es noch heißer und man könnte bei solchen Temperaturen Anfang Juni meinen, man wäre in Afrika gelandet. Im kleinen Ort Olimpiada suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen am Strand, um hier unser Zelt aufzubauen.

Am nächsten Morgen geht es kurvenreich weiter in die Türkei. Die Grenze ist schnell passiert und bis Istanbul ist der Verkehr angenehm. Doch in Istanbul herrscht bei der Überquerung der Bosporus-Brücke Anarchie und Chaos. Um nicht in diesem Megastau zu verglühen fahre ich erst über den Standstreifen und dann durch einen flachen Graben an den wartenden Autos vorbei.

In Akcakoca machen wir Rast und sehen wie direkt am Strand ein altes Flugzeugwrack aus dem Schwarzen Meer geborgen wird. Es hat sich eine große Menschentraube gebildet, der halbe Ort scheint auf den Beinen zu sein. Vor den Schaulustigen sitzt eine Gruppe mit eigenartigen Instrumenten und spielt passend zum Geschehen eine traurige Melodie. Mystischer kann solch eine Szenerie wohl kaum sein.

Es geht weiter am Schwarzen Meer entlang. Vor Eregli liegen mehrere Schiffskolosse aufgebockt direkt am Strand. Eine Schiffswerft inmitten der Natur. Im idyllischen Hafen von Amasra machen wir Mittagsrast, um frisch gestärkt die kurvenreiche Strecke weiter zu verfolgen. Unser Nachtlager ist wieder der Strand. Wir fahren die Böschung von der Strasse herunter und merken erst dort, dass der Strand und auch die Böschung aus weichen Sand besteht. Müde wie wir sind, wird das Problem auf den nächsten Tag verschoben.

Am anderen Morgen zeigt sich das ganze Ausmaß unserer Situation. Keine Stollenbereifung und kein wirklich geeigneter Untergrund für einen Anlauf. So bauen wir aus flachen Steinen einen Weg bis zur Böschung und mit tatkräftiger Unterstützung von Günter gelange ich wieder auf die Strasse. Jetzt heißt es frisches Brot im nahen Abana zu kaufen, damit wir uns vor der zweiten Bergung mit einem Frühstück stärken können. Auch diese gelingt und durch schöne Landschaft geht es auf ruhiger Strecke weiter. Ab Sinop hat uns die monotone Schnellstraße jedoch wieder im Griff.

Vor der Weiterfahrt zur türkischen Grenze geht es in die Berge hinauf zum Sumela Kloster. Die Anlage wurde in den Fels eingearbeitet und ist innen sowie aussen mit zahlreichen Fresken verziert. Wieder auf der Schnellstrasse erreichen wir sich kilometerweit vor der Grenze stauende und wartende LKW´s. Wie gut dass wir uns nicht anstellen müssen und an den Wartenden vorbei fahren können. Das von uns in Batumi angesteuerte Tiko Hotel ist leider schon belegt und wir werden an ein Haus schräg gegenüber verwiesen. Lascher, der Neffe vom Hausbesitzer, spricht englisch und so mieten wir uns eine Ferienwohnung und erfahren noch einige Informationen über die Stadt. Während unserer Stadterkundung werden wir von Valeri auf Deutsch angesprochen. Er möchte sich mit uns unterhalten, um hinzu zu lernen und seine Sprachkenntnisse zu erweitern. Schließlich führt er uns in ein kleines Kellerrestaurant, wo wir original georgisch Chatschapuri und Chinkali essen. Wir wollen Valeri einladen, aber er ist bescheiden und ausser einem Bier und einer von den köstlichen Teigtaschen, den Chinkali, möchte er nichts nehmen.

Am folgenden Tag geht die Reise durch die Berge über den Ughelt Goderdzi Pass nach Gori. An einen am Wegesrand stehenden alten LKW machen wir einen Fotostopp und sind schnell mit den Anwesenden im “Gespräch”. Die Bezeichnung Gespräch ist eigentlich übertrieben, denn die Unterhaltung besteht aus Gestik und der jeweiligen Landessprache! Durch die lange Steigung ist der Motor kurz vorm Kochen und muss erstmal wieder abkühlen. Ich verteile Pfefferminz Bonbons an die Wartenden und als Gegengabe erhalten wir selbst gebackenes Fladenbrot und Gebäck. Das Gebäck ist salzig und schmeckt ein wenig nach Käse. Die ersten beiden Bisse sind wahrlich kein kulinarischer Genuss, aber bereits beim dritten schmecken angenehme Aromen durch und der Geschmack wird zunehmend interessant. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ist das dieses Gebäck unser Energielieferant für den Rest des Tages sein wird. Auf der Passhöhe angekommen, sind wir schnell von einer dort verweilenden Schulklasse umstellt. Anfangs noch schüchtern, trauen sich die Mädchen als erstes heran. Wir werden auf Englisch von ihnen angesprochen und nach unserer Meinung zu ihrem Land befragt. Als nächstes weckt mein roter Helm das Interesse und so setzt fast jeder der Klasse diesen auf und lässt sich von den anderen begutachten oder auch mit dem Handy fotografieren. Auch wir müssen als begehrtes Fotomotiv herhalten, denn Motorradfahrer aus Deutschland trifft man ja nicht jeden Tag.

Von Gori, dem Geburtsort von Stalin, geht es Richtung Tiflis. Vorher biegen wir jedoch ab, um auf der alten georgischen Militärstraße hoch bis an die russische Grenze zu fahren. Ab Mleta geht es in den Kaukasus hinauf, die Berge sind zum greifen nah und beeindrucken uns sehr. Schnell wird aus der Teerstrasse eine Schotterpiste und nach Überwindung des Passes gelangen wir in ein sich vor uns ausbreitendes saftgrünes Tal. Ein hier vor uns herfahrender Bus wirbelt soviel Staub auf, sodass wir beim Überholen durch eine undurchsichtige Wand fahren. Der letzte Ort Kasbegi liegt im dunklen Schatten und wirkt so weniger einladend. Ein kurzer Abstecher zur geschlossenen Grenze und schon geht es zurück ins lebendige Tiflis. Nachdem wir uns in einer Backpacker Unterkunft eingemietet haben, erkundigen wir die Stadt. Nach dem Essen gut gestärkt, werden wir auf dem Rückweg von einem heftigen Regenschauer überrascht. Auf der leicht ansteigenden Strasse in Richtung unseres Quartiers rauscht in Sekundenschnelle ein kleiner Sturzbach herunter. So stark, dass die aufwärtsfahrenden Autos wegen des starken Wasserschwalls auf der Strasse zum Stehen kommen. Beim Queren einer Seitenstrasse versinke ich bis weit über das Knie im Wasser. Genau so schnell wie das Unwetter einsetzte, so schnell ist der Spuk auch wieder vorüber.

Nachdem wir Tiflis ausgiebig besichtigt haben, geht es über Gombari weiter nach Armenien. In der Dämmerung kommen wir in Haghpat an und suchen unsere Unterkunft im dortigen Kloster. Die beiden zur Zeit dort lebenden und lernenden Studenten Vorand und David sind extrem aufgeschlossen und sehr neugierig. Ihr Lehrer, der das Kloster leitende Priester, muss beide ermahnen, uns ruhen zu lassen. Sonst hätten wir die Nacht wahrscheinlich kein Auge schließen können, vor lauter Fragen der Wissbegierigen.

Beim Frühstück erzählt uns der Priester, dass er gebürtig aus dem Libanon kommt und vor seinem Einsatz in diesem Kloster in Amerika war. Jetzt wurde er hier in die Abgeschiedenheit der armenischen Berge versetzt und nimmt dies so hin - er sei ja schließlich ein “sacred solider“. Bei diesem Vergleich muss ich schon sehr lachen und er fragt mich ob ich denn nicht religiös sei. Ich gebe ihm die Antwort dass ich bisher keine Religion für mich gefunden habe, aber auch nicht auf der Suche nach einer bin. Er nimmt meine Antwort hin, ohne mich bekehren zu wollen und meint dass er uns das Kloster zeigen möchte. Nach ausführlicher Führung machen wir uns weiter auf den Weg.

Durch eine traumhaft schöne Landschaft führt uns der Weg durch eine Schlucht und durch die Berge bis an den Sevan See. Hier besichtigen wir das oben auf einem Hügel liegende und den See überragende Kloster Sevan. In solch idyllischer Lage heißt es, anschließend am See einen schönen Platz zum zelten zu suchen. Vorher wollen wir uns in einem in der Nähe befindlichen kleinen Restaurant mit Trinkwasser eindecken, doch es ist aufgrund einer Feier für uns geschlossen. Bevor wir uns unverrichteter Dinge wieder auf den Weg machen wollen, kommt einer der Gäste heraus und fragt uns nach unserer Herkunft. Kaum sagen wir ihm, dass wir aus Deutschland sind, schon werden wir ins Innere zur Feier eines 50 jährigen Jubilars gebeten. Die Speisen auf der Tafel sind bereits üppig und reichlich vorhanden, aber für uns wird sogar extra neu nachgelegt. Der nur aus männlichen Gästen bestehenden Gesellschaft werden wir als Ehrengäste vorgestellt und danach wird gemeinsam kräftig angestoßen. Bei diesen einen Mal bleibt es nicht und nach der 3. oder 4. Runde verabschieden wir uns schnell wieder, damit wir am nächsten Morgen nicht mit Kopfschmerzen aufwachen und unseres Weges weiter ziehen können.

Auf der Weiterfahrt zum südlichen Ende des Sevan Sees stoppe ich an einen alten Bus zum fotografieren. Von den im Bus pausierenden Männern werde ich ins Innere eingeladen und zum Frühstück eingeladen. Es gibt eine Brühe, die aus mit Kopf und Flossen gekochten Fischen besteht. Von der Brühe nehme ich zum Kosten einen kleinen Schluck, diese ist salzig im Geschmack, aber für mich doch recht gewöhnungsbedürftig. Ab Martumi queren wir eine mit grünen Wiesen durchzogene Hochebene und biegen schließlich nach Ltsen ab. Hinter dem Ort finden wir erneut ein passendes Nachtlager direkt am See. Nach kurzer Zeit kommt einer der Dorfbewohner vorbei und gibt uns mit Händen und Füssen zu verstehen, dass wir hier wohl nicht zelten sollten, sondern zu ihm in sein Haus folgen sollten. Wir entscheiden uns zu bleiben und so geht der Mann an den See herunter und kommt mit einen offenen Kanister zurück. Dieser ist gefüllt mit lebenden Flusskrebsen, welche er uns schenkt, bevor er wieder in ins Dorf zurück geht. Überrascht vom Geschenk stellt sich schnell die Frage: wie bereitet man diese denn zu? Günter gibt schnell die Antwort, dass er die Krebse nicht esse und ich setzte auf den Telefonjoker. Doch Eva daheim weit entfernt, weiß auch nicht sofort die passende Antwort. Erst jetzt erinnere ich mich wie einfach die Zubereitung ist: Solange kochen bis die Schale rot gefärbt ist. Gedacht, getan und schon kann ich die Spezialität genießen. Kaum sind wir mit dem Essen fertig, da kommt die Dorfjugend um uns “anzusehen”. Schnell traut sich der erste mit seinen Fußball heran und kurz darauf muss ich als Gesandter des deutschen Fußballs mit meinen Crossstiefeln gegen sie antreten. Zum Glück lässt ihr Interesse synchron mit dem Schwinden meiner Kondition nach und sie ziehen zufrieden ins Dorf zurück. Wahrscheinlich beflügelt von dem Gefühl, soeben Deutschland im Fussball besiegt zu haben.

Beim Kaffe in Goris schlägt Günter vor, nach Berg Karabach zu fahren und trifft damit genau meine bisher noch nicht ausgesprochenen Gedanken. Vom Grenzposten werden unsere Daten in ein Buch eingetragen und wir können mit der Auflage weiterfahren, bei der Ausreise das Visum vorzuweisen. Dieses müssten wir in Stepanakert beantragen. Wie der Name es schon sagt, ist es bergig und wir haben mit unseren Motorrädern in den Kurven wieder viel Spaß. Beim Besuch des Gandzasarklosters in Vank werde ich von einer jungen Familie gebeten, sie zu fotografieren. Doch dabei soll es nicht bleiben und wir werden zu einer Feier anlässlich einer Taufe eingeladen. Wir folgen der Familie zurück ins Tal zu einen Grillplatz und feiern mit.

Auf unserer Rückfahrt kommen wir an eine unbeschilderte Kreuzung, lediglich auf der Landkarte ist zu erkennen das es geradeaus in die verbotene Stadt Agdam geht. Es gibt kein Verbotsschild für die Weiterfahrt und so erliegen wir unserer Versuchung und fahren durch bereits zugewucherte Häuserruinen Richtung Zentrum der Verbotenen Stadt. Beim Fotostopp nähert sich ein Militärfahrzeug und wir werden zur Passkontrolle zu einer nahe gelegenen Hausruine geführt. Wir werden auf Englisch nach unserer Herkunft und dem Grund unserer Anwesenheit gefragt, aber unsere Antwort, dass wir im Urlaub sind, wird nicht richtig verstanden. So wird ein Offizier per Funk herbei gerufen, aber auch dieser kann unsere Antworten nicht verstehen. Also geht es wieder ans Funkgerät und nach einiger Zeit kommt eine BMW Limousine mit einem in Zivil gekleideten Mann. Dieser fragt wie lange wir so Urlaub haben und versteht anstatt 6 Wochen doch glatt 6 Monate. Das ist natürlich sehr suspekt und wir müssen ihm ins nahe Askeran folgen. Hier werden wir in eine Zelle mit einer Pritsche und einen Schreibtisch geleitet. Ein Schreibtisch, geht es mir durch den Kopf, da werden wir nicht ungefragt für die nächsten Tage weg gesperrt. Zur Aufsicht bleibt ein junger Soldat bei uns im Raum und nach einer Stunde kommt der Zivile mit einer Frau zu uns zurück. Sie ist Englischlehrerin und wurde wegen uns aus der Schule geholt. Sie übersetzt jetzt die Fragen des Zivilen und fragt uns nach Beruf, Reiseweg und Grund unseres Aufenthaltes. Nachdem sie alles zurück übersetzt hat, werden wir vom Zivilen als Biker und Tourist bezeichnet und mit den letzten zu übersetzenden Worten “you´re free” wieder in die Freiheit entlassen.

Zurück in Armenien ist das Kloster Tatev unser nächstes Ziel und von dort geht es Richtung Eriwan. Zwischendrin machen wir noch einen Abstecher über die Orte Herher und Herman. Zuerst geht es durch eine kleine Schlucht hinauf auf eine Hochebene, wo die Straße in eine Piste mit tiefen Wasserlöchern übergeht. Diese verengt sich mit der Zeit und wir sind auf einer nur aus den Fahrspuren der Reifen bestehenden Piste unterwegs. In diesen steht teilweise das Wasser und der Untergrund ist morastig. Nachdem wir schon einige dieser kniffeligen Passagen gemeistert haben, passiert es in der letzten großen Pfütze. Günter ist bereits durch und will mich fotografieren, da rutscht kurz vor der Ausfahrt mein Vorderrad weg und ich lege mich auf die Seite. Ich kann das Motorrad vor dem endgültigen Untergang zwar noch halten, aber zum Aufrichten reicht meine Kraft nicht aus. Günter kommt mir zur Hilfe geeilt und gemeinsam können wir das Motorrad ins Trockene retten.

Nachdem wir 2 Tage in Eriwan verbracht haben, geht es über Bavra zurück nach Georgien. Hinter der Grenze geht es auf staubiger Piste der tief stehenden Sonne entgegen. Die voraus fahrenden Autos wirbeln viel Staub auf und die Sicht ist gleich Null. Jeder Überholvorgang wird so zu einer gewagten Herausforderung. Unsere letzte Besichtigung auf dieser Reise ist das Vardzia Felsenkloster. Dieses wurde in eine steil aufragende Felswand hinein geschlagen. Der Weg hinauf ist steil und unter der hoch im Zenit stehenden Sonne wird unserer körperlichen Fitness einiges abverlangt. Nun heißt es wieder Abschied von den eben erst neu kennen gelernten Ländern zu nehmen und die lange Rückreise beginnt!


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